Siegelnahtgeräte - Pflicht zur Validierung?

März 02, 2021

Nachdem die letzten Blogbeiträge das Thema Validierungsintervalle von Prozessen behandelten, die zweifelsfrei validiert werden müssen (§ 8 MPBetreibV), soll es heute um ein Thema gehen, bei dem die Pflicht zur Validierung umstritten ist: Heißsiegelprozesse in Siegelnahtgeräten. Immer wieder wird von Seiten zuständiger Aufsichtsbehörden, Dienstleister, Händler und leider sogar Fachgesellschaften fälschlicherweise behauptet, diese Prozesse müssten ebenfalls validiert werden. Hierbei handelt es sich in der Regel um eine fehlerhafte Verwendung des Begriffs Validierung. Durchaus muss die Effektivität von Heißsiegelprozessen belegt werden, jedoch entspricht dies nicht den Anforderungen einer Prozessvalidierung, bei der die spezifizierten Prozesseigenschaften überprüft werden.

Aus § 8 (1) MPBetreibV ergibt sich zwar eine Pflicht zur Anwendung von "geeigneten validierten Verfahren“, allerdings wird in Absatz 2 konkretisiert, dass eine ordnungsgemäße Aufbereitung vermutet wird, wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut (KRINKO) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit dem Titel "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ beachtet wird.

In Anlage 1 dieser Empfehlung wird eindeutig festgelegt, für welche Prozesse eine Validierung vorgesehen ist und worauf sich der Begriff "geeignete validierte Verfahren" bezieht; namentlich maschinelle Reinigung und Desinfektion sowie Sterilisation. Für alle anderen Schritte des Aufbereitungsprozesses und auch explizit die Verpackung schreibt die KRINKO-BfArM-Empfehlung die Erstellung von Standardarbeitsanweisungen vor. Diese Standardarbeitsanweisungen sind entsprechend der KRINKO-BfArM-Empfehlung und somit auch der MPBetreibV für die Realisierung eines sicheren Aufbereitungsprozesses eine ausreichende Qualitätssicherung im Rahmen der Auslegung des Begriffs "geeignete validierte Verfahren".

Die KRINKO-BfArM-Empfehlung schreibt jedoch in Anlage 4 Pflichtprüfungen für die in Heißsiegelprozessen produzierten Siegelnähte vor:

  • Tintentest oder Sealcheck
  • Siegelnahtfestigkeit/ Peelbarkeit
  • kritische Parameter
Die Siegelnahtfestigkeit kann durch sog. Zugversuche, wie sie oft im Rahmen einer Leistungsprüfung angeboten werden, geprüft werden. Hierbei wird die Kraft gemessen, die notwendig ist, um eine gesiegelte und sterilisierte Naht zu öffnen. Die KRINKO-BfArM-Empfehlung gibt für diese Prüfung kein Wiederholungsintervall vor - die gelebte Praxis stellt aber eine jährliche Wiederholung dar. Den Tintentest oder Sealcheck, die Peelbarkeit und die kritischen Parameter (also zur Folie passende Temperatur und ggf. Druck) kann der Betreiber selbstständig prüfen - die Verfahrensanweisungen sind den Herstellerangaben zu entnehmen. Die entsprechenden Intervalle sind nach einer Risikoanalyse im Qualitätsmanagement festzulegen.

Es ist also eindeutig belegbar, dass der Gesetzgeber bzw. die von ihm hervorgehobenen Stellen keine Validierung von Heißsiegelprozessen vorsehen, um den Anforderungen der MPBetreibV an das sichere Betreiben von Siegelnahtgeräten zu entsprechen. Die genannten Routineprüfungen sind in geeigneten Abständen durchzuführen und Standardarbeitsanweisungen sind zu erstellen, um den Prozess hinreichend abzusichern.

Illustration: Annika Heller – annika-heller.de
09 März, 2024
An dieser Stelle möchte ich die Ergebnisse meiner Untersuchung von Nagelkorrekturspangen aus medizinprodukterechtlicher Perspektive mit Ihnen teilen.
Eine Statue der Justizia
31 Aug., 2023
In diesem Artikel finden Sie eine Auflistung der Hygieneverordnungen der Länder für den niedergelassenen Bereich und eine Erklärung der wesentlichen Unterschiede.
25 Juli, 2023
Was ist die Folge, wenn Angehörige von Heilberufen Produkte, die keine Medizinprodukte sind, für Gesundheitsbehandlungen am Patienten einsetzen?
08 März, 2023
Die KRINKO-BfARM-Empfehlung, deren Einhaltung eine ordnungsgemäße Aufbereitung gem. §1 (2) MPBetreibV vermuten lässt, macht klare Vorgaben zur Wirksamkeit von Desinfektionsverfahren. Insbesondere bei der manuellen Desinfektion zeigt sich eine Tücke, die bei vielen Betreibern vermutlich nicht genug Beachtung findet.
25 Jan., 2023
In besonderen Situationen ist es manchmal nicht möglich, medizinische Instrumente selbst aufzubereiten – sei es weil der Sterilisator defekt ist oder in der Praxis umgebaut wird. Ist es dann ohne weiteres möglich, die Aufbereitung einfach von einer anderen Praxis oder einem Dienstleister durchführen zu lassen?
von Sascha Ruß 27 Apr., 2022
In welchem zeitlichen Zusammenhang sollten Wartung und Validierung stehen, um den Anforderungen zu entsprechen?
von Sascha Ruß 18 Mai, 2021
Ist nach einer längeren Validierungspause eine Erstvalidierung notwendig?
von Sascha Ruß 18 Feb., 2021
In welchen Abständen sind Reinigungs- und Desinfektionsprozesse zu validieren?
von Sascha Ruß 07 Feb., 2021
In welchen Abständen sind sonstige Sterilisationsprozesse zu validieren?
von Sascha Ruß 30 Jan., 2021
In welchen Abständen sind Sterilisationsprozesse in Kleinsterilisatoren zu validieren?
Show More
Share by: